Media Weekly

Despoten und das Internet oder warum "unfrienden" auch keine Lösung ist

Despoten und das Internet oder warum

Despoten und Demagogen aller Länder haben ein Hobby, das sie vereint. Sie verbieten es Medien, frei über sie zu berichten – oder versuchen es zumindest. Wie jüngst Donald Trump, der Berichte in der New York Times bestrafen und verbieten lassen will, in denen mutmaßliche Opfer zu Wort kommen, die eigentlich nur das bezeugen, mit dem Trump selber vor Jahren während seiner „Lockerroom“-Fahrt mit Moderator Billy Bush geprahlt hat. Zuweilen wenden sich autoritäre Herrscher auch gegen das Internet, wie immer wieder in der Türkei, wo zeitweilig Twitter oder Youtube blockiert werden. Aber im Großen und Ganzen sind es die traditionellen Medien, die den Zorn der Tyrannen zu spüren bekommen – und das, obwohl sie ihre informelle „Gatekeeper“-Funktion eigentlich längst verloren haben. Warum also der Kampf gegen die freie Presse?

Der Demagoge modernen Typs betrachtet das Internet als Verbündeten.

Nun: Ich glaube, der Demagoge modernen Typs hat gelernt, das Internet als Verbündeten zu betrachten. Die alten Schlachtkreuzer der freien Presse dagegen, die „Mainstream-Medien“ oder in rechten Kreisen die „Lügenpresse“ (vor kurzem schrieb jemand mit gespielter Ironie „Wahrheitspresse“, meinte aber das selbe), lassen sich schlicht nicht so einfach mit ein paar Tweets aus der Fassung bringen. Deren publizistische und wirtschaftliche Potenz ist oft seit Jahrhunderten gewachsen. Sie muss mit anderen Mitteln bekämpft werden: mit der Macht der Exekutive.

In Russland und der Türkei ist das bereits bewährte Praxis; in den Vereinigten Staaten befürchten Journalisten ähnliche Verhältnisse, falls wieder erwarten Trump zum Präsidenten gewählt werden sollte. Und Ihre Bedenken basieren nicht auf Paranoia, denn ähnlich wie bei seiner Meinung über Frauen hält sich der Kandidat der Republikaner öffentlich auch in dieser Frage nicht zurück:

In Russland, der Türkei und anderen Ländern, in denen die Pressefreiheit keinen guten Stand hat, sind ebenfalls Gesetze gegen (Präsidenten-)Beleidigung oder Verleumdung ein probates Mittel, kritische und investigative Journalisten in Schach zu halten. Trumps Anhängerschaft, die sich selbst als „Bewegung“ („Movement“) beschreibt, unterstützt diese Haltung - vorläufiger Höhepunkt einer Kampagne der Konservativen in den USA, denen Zeitungen wie die New York Times und der Washington Post schon lange zu „liberal“ sind.

Wie konnte es geschehen, dass die Institutionen, die nachweislich seit Jahrzehnten dazu beigetragen haben, totalitäre Systeme in Schach zu halten, nun von Teilen der Bevölkerung derartig abgelehnt werden? Nicht erst die sozialen Netzwerke haben eine Bewegung in Gang gesetzt, die das Geschäft mit Informationen demokratisiert und dabei gleichzeitig entprofessionalisiert hat. Ersteres weckte Hoffnungen auf eine bessere, eine ehrlichere Welt. Letzteres hat diese Hoffnung weitgehend zerstört. Meinungen ersetzen heute im Web vielfach Fakten und Argumente; Wahrhaftigkeit wir abgelöst durch „gefühlte“ Wahrheiten. Das journalistische Handwerk, so mangelhaft es von manchen auch ausgeübt wird, fällt zunehmend dem um sich greifenden Antiitellektualismus zum Opfer – schreiben kann schließlich jeder. Und sind Menschen mit Expertise nicht grundsätzlich verdächtig?

In meinen Augen ist es das, was Despoten am Internet so lieben. Es ist so sehr viel einfacher, Propaganda zu verbreiten und dabei im Hintergrund zu bleiben. „Gegenmedien“ wie „Politically Incorrect“ (Deutschland) oder Breitbart (USA) erledigen das Geschäft. Andere Plattformen agieren im Verborgenen, streuen ihr Gift anonym in die Streams der Facebook-User und verschleiern sogar die Registrierung ihrer Domain – wie endingthefed.com. Wobei Breitbart dazu übergegangen ist, seine kruden Stücke mit recherchiertem Material zu vermischen: Nichts wirkt propagandistisch besser als eine halbe Wahrheit. Kein Wunder, dass Trump Breitbart-Chef Stephen K. Bannon zu seinem Kampagnen-Manager gemacht hat. Denn wer sich erst einmal in seiner Weltsicht eingerichtet hat, der empfindet Fakten sowie als Störung. Sascha Lobo hat darüber vor kurzem in seiner Kolumne auf Spiegel Online geschrieben.

Während also Despoten ihre Troll-Armeen auf die Kommentar-Spalten der Online-Zeitungen loslassen und auch vor der Instrumentalisierung von Wikileaks nicht zurückschrecken (hier ein interessanter Stück der New York Time zu dem Fall) – einer Plattform, die sich der Aufklärung und so dem Kampf gegen Despotie verschrieben hat – ziehen sich die Besonnenen müde aus dem Internet zurück. „Mal offline gehen“ ist auch ein Slogan, dem ich selbst zu gerne öfter folgen würde. Oder zumindest alle Trump-Versteher aus der Facebook-Freundesliste streichen und bei Twitter abbestellen. Sich in die eigene Bubble zurückziehen. Gleichzeitig aber organisiert sich der Mob in seiner Blase – aufgehetzt durch „Gegenmedien“, die ähnlich dem Orwell’chen „Wahrheitsministerium“ aus Frieden Krieg, aus der Wahrheit die Lüge und aus dem Fortschritt die Reaktion machen.

Was sollte man also tun? Ich sage: Trollt die Trolle. Statt jene Facebook-Freunde zu „unfrienden“, die den eigenen Newsfeed mit Verschwörungstheorien, Mysogenie und Trumpologie verpesten, spamt die Spammer. Postet – falls möglich - Obama-Reden und Fakten-Checks auf deren „Walls“. Lasst Platitüden und Dummheiten nicht unwidersprochen stehen. Das geht nicht immer – aber vielleicht immer öfter.

Update 22.10.16

Der Kollege Martin Weigert hat ähnliche Ansichten: "Warum Du einmal pro Tag einem Troll widersprechen solltest."

Update 24.10.16

Jim Rutenberg schreibt für die New York Time über die Rolle von Wikileaks für die amerikanische Demokratie: "WikiLeaks’ Gift to American Democracy".

(Foto: Matt Johnson, cc-licenced)