Media Weekly

Prince Roger Nelson, das Internet und der Dualismus der Dinge

Prince Roger Nelson, das Internet und der Dualismus der Dinge

Es kommt mir fast wie ein Sakrileg vor: Ein überaus bedeutender Mensch stirbt schmerzlich überraschend und ich schreibe einen Blogartikel über ihn. Nein, ich will keine Klicks, weil zurzeit im Internet alles gelesen wird, wenn darin Prince vorkommt. Aber Kollegen schreiben über ihn und ein Aspekt hat mich mehr zum Nachdenken gebracht als üblich: Wie die Süddeutsche Zeitung (und auch ich, unmittelbar nach der Todesnachricht) feststellte (Warum Fans vergeblich nach Prince-Songs im Internet suchen), findet Prince‘ Werk im heute üblichen digitalen Umfeld (Youtube, Spotify etc.) wenig statt. Und das hat gute Gründe, die mehr transzendieren, als auf den ersten Blick deutlich wird.

Es ist nicht so, dass Prince aus Hass auf das Medium Internet rigoros die Dumping-Verwertung seines Werkes bekämpft hätte. Das Gegenteil ist der Fall, wie die SZ richtig feststellt: Er habe sich eben nicht „in einem letzten Akt der Arroganz für das Schmollen“ entschieden, sondern war einer der Vorreiter, wenn es darum ging, das Internet so zu nutzen, dass es den Menschen, und hier vor allem den Künstlern nutzt. Als einer der ersten hat er seine Musik direkt über das Web verkauft – ohne Zwischenhandel, ohne Knebelvertrag. Ihm war klar, dass dies der große Gewinn sein kann: der direkte Weg, mit Menschen in Kontakt zu treten, über seine Musik mit ihnen zu kommunizieren. So verschenkte er vor Konzerten auch offenbar schon mal seine Platten an die Fans.

Auf der anderen Seite war ihm aber auch die Gefahr bewusst: die Entwertung der Dinge, nicht nur von Musik, sondern von allem: Fotografie, Kunst, Journalismus – und nicht zuletzt der Information als solches. Deshalb gab er seine Songs nicht in den Spotify-Katalog, deshalb lieferte er sich den Grabenkampf mit seiner Plattenfirma, in dessen Verlauf er sich auch schon mal „Slave“ auf die Wange schminkte, oder auch gleich ganz seinen Markennamen in ein Symbol änderte – übrigens ein Vorläufer des heute online in Form von Emoticons allgegenwärtigen Symbolismus.

Hier mache ich den Gedankensprung, denn es ist unbekannt, ob Prince tatsächlich auch an uns Journalisten dachte, deren Arbeit online kopiert, entwertet, marginalisiert und schließlich auch angezweifelt wird. Aber es fällt nicht schwer, den gleichen Dualismus, der ihm und allen Musikern zu schaffen macht, bei Autoren und Fotografen zu erkennen. Wir profitieren von der direkten Kommunikation mit den Menschen und leiden gleichzeitig unter der Entwertung. Und noch mehr: Musik wie auch Information speisen einerseits die Kultur, andererseits den öffentlichen Diskurs, sind deren Basis, deren Grundstoff.

Was passiert, wenn ein so wichtiger Grundstoff wie die Information (in Form von journalistischen Beiträgen und Recherchen), zum Dumping-Gut verkommt, entwertet wird und dadurch an Relevanz verliert, erleben wir in der aktuellen politischen Debatte. Es geht zu wie auf einem mittelalterlichen Marktplatz im globalen Maßstab. Was an Informationen verbreitet wird – vor allem in den sozialen Netzwerken - sind oft Gerüchte und selbst renommierte Quellen wie Tageszeitungen und öffentlich-rechtliche Sender werden angezweifelt wie in alten Zeiten der öffentliche Aushang des lokalen Fürsten.

Doch zurück zu Prince und dem Internet. In gewisser Weise halte ich seinen Umgang mit dem Medium und auch mit den Medien ganz allgemein für ähnlich virtuos wie sein Gitarrenspiel. Was das für mich als Urheber bedeutet? Kann ich kaum sagen, ohne dabei ins Philosophische abzuschweifen (Dualismus der Dinge usw.). Aber konkret kommt dabei für mich folgendes heraus: Man sollte nie den Glauben verlieren – weder an sich selbst, noch an den Wert dessen, was man tut. Und dabei kann Prince Roger Nelson auch nach seinem Tod noch eine große Inspiration sein.