Über die Zukunft nach dem Ende von Business Catalyst
Vor zwei Wochen hat mich und alle anderen Adobe-Business-Catalyst-Partner eine überraschende Nachricht erreicht: Adobe kündigte mit einer lapidaren „End-of-Life-Announcement“ das Ende von BC bis zum März 2021 an (zunächst hieß es sogar März 2020). Nach zwei Wochen intensiver Kommunikation und Arbeit in der BC-Community und vielen Gesprächen mit ehemaligen BC-Entwicklern kann ich jetzt mehr darüber sagen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Web-Projekte meiner Auftraggeber hat, wie die Zukunft aussieht und was ich persönlich von dem Vorgang halte.
Was bedeutet das Aus von Business Catalyst für lochmüller.MEDIA-Webprojekte
Zunächst das Wichtigste: Alle lochmüller.MEDIA-Webprojekte, die auf Business Catalyst aufbauen und die mit einem laufenden Support-Vertrag verknüpft sind, migriere ich bis spätestens Ende 2020 auf eine neue Plattform. Für meine Auftraggeber bedeutet dies, dass ein neues und besseres System zur Verwaltung ihrer Website auf sie wartet. Business Catalyst hatte vor allem in die Nutzererfahrung zuletzt zu wenig investiert. Kurz gesagt: Es wird zum ähnlichen Preis mehr Leistung geben. Für Einzelheiten stehe ich meinen Kunden jederzeit in einem persönlichen Gespräch zur Verfügung; vor Ablauf des Jahres kontaktiere ich zudem jeden mit detaillierten Informationen zur neuen Plattform.
Was die Raupe das Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
Einige größere Player in der Business-Catalyst-Community entwickeln im Moment Migrations-Tools, die auch komplexe BC-Sites beim Umzug unterstützen. Doch der eigentliche Clou ist: Die neuen Services, die ich im Auge habe, sorgen nicht nur für Kontinuität bei dem, was ich jetzt schon anbiete, sondern bieten deutlich mehr Möglichkeiten für die Zukunft. Das heißt: Noch bessere Websites, die sich im Internet über 2020 hinaus an der Spitze behaupten können. Es ist wie immer: Schließt sich eine Tür, geht woanders ein Scheunentor auf. Oder etwas prosaischer: Was die Raupe das Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
Warum ich überhaupt mit BC gearbeitet habe und Wordpress nicht die Lösung ist
Warum haben wir BC-Partner überhaupt an der Plattform festgehalten? Warum arbeiten wir nicht einfach mit Wordpress – dem angeblichen Industriestandard bei Content-Management-Lösungen? Die Gründe sind allem Sicherheit, Effizienz, Integration und Skalierbarkeit. BC bietet all diese Merkmale als integrierte gehostete Lösung gleichermaßen – und bis vor kurzem auch wie kein anderes Produkt am Markt. Wordpress ist vor allem sehr weit verbreitet: Das ehemalige Blogger-System ist durch zahllose Dritthersteller-Plugins zwar mächtig aber auch angreifbarer und fragmentierter geworden. Vor allem Wordpress-Sites sind in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Hackern geworden. Bei der hohen Zahl von Wordpress-Websites lohnt sich zudem die Entwicklung von Schadsoftware.
Wie sieht die Zukunft aus
In den vergangenen drei Wochen (größere Partner hatte Adobe eine Woche früher über BCs End-of-Life unterrichtet) hat sich vor allem ein legitimer BC-Nachfolger positioniert: PlatformOS verfügt über die Technologien (headless CMS, GraphQL), um die Websites kleiner, mittlerer und auch großer Kunden fit für die kommenden Entwicklungen des Internet zu machen – wie noch mehr Apps, Voice („Alexa“) und IoT (Internet of Things). PlatformOS-Schöpfer Adam Broadway war einer der Entwickler Gründer von BC und sieht sein neues Baby als Fortentwicklung seiner ursprünglichen Philosophie. Bisher richtete sich Broadways Service vor allem an Großkunden wie Intel (http://devmesh.intel.com läuft auf pOS) und Cisco. Für BC-Partner schnürt er aber zurzeit (auch aus alter Verbundenheit mit der Community) ein preislich angepasstes Paket, dass Mitte des Jahres zur Verfügung steht. Für mich ist PlatformOS definitiv das interessanteste System, möglicherweise sogar für kleinere Seiten.
Für kleinere Websites evaluiere ich aber auch Systeme, die sich vor allem darauf fokussieren, Inhalte schnell und für Suchmaschinen optimal im Web und auf Smartphones (Stichwort Progressive Web Apps) bereit zu stellen. Dazu zählen Umbreco Cloud, Duda und Webflow. Für reine Online-Shops gefällt mir im Moment Shopify am besten. In den kommenden Monaten prüfe ich das alles eingehend auf Kompatibilität mit meinen und den Ansprüchen meiner Kunden. Auch als Freelancer und Agentur kann das Verlassen der eigenen Komfortzone schon mal nicht schaden um neue Wege zu finden, die eigenen Kunden glücklich zu machen.
Was ich persönlich von Adobes Entscheidung halte
Abgesehen von allen neuen schönen Möglichkeiten noch ein paar persönliche Anmerkungen: Die Tragweite von Adobes Entscheidung und die Enttäuschung darüber kann – glaube ich – nur erahnen, wer weiß, dass der US-Konzern schon seit geraumer Zeit die Weiterentwicklung von Kernfunktionen des Systems den größeren Partnern wie Chicago Digital überlassen hattte. Die haben BC mit ihren Apps auf dem Stand der Zeit gehalten. Gleichzeitig sparte sich Adobe die Kosten für echten Fortschritt am Software-Kern.
Adobe ist schon in der Vergangenheit durch den Erwerb und die spätere Einstellung beliebter Produkte aufgefallen (Freehand, Fireworks), dieser jüngste Schritt aber, ein Web-Ökosystem in so kurzer Zeit ins Abseits zu stellen, das für hunderte, teilweise große Agenturen und ihre Mitarbeiter die Lebensgrundlage darstellt, finde ich außergewöhnlich selbstherrlich. 2009 hatte Adobe Business Catalyst 2009 von den Gründern um Adam Broadway erworben. Offenbar ist der Verkauf der Plattform, deren Umsätze dem Vernehmen nach profitable, aber für den Riesen Adobe doch nur „Peanuts“ sind, an einen australischen BC-Partner im vergangenen Jahr aus juristischen Gründen gescheitert. Vermutlich ging es um Haftungsfragen, die den von Adobe hinzugefügten Code betrafen.
Ich glaube, dass BC vor allem Opfer verfehlten Marketings und einer Chef-Etage geworden ist, die ihre Aufmerksamkeit lieber den „Cash-Cows“ um Photoshop & Co widmen möchte. Adam Broadway berichtete kürzlich im Chat-Meeting über seinen Appell, Business Catalyst der Adobe Marketing Cloud hinzuzufügen. „Dann wären wir heute nicht da, wo wir sind.“ Letztlich hat das Produkt wohl einfach nicht mehr ins Portfolio des US-Konzern gepasst. Auch Größe, Rentabilität und eine aktive Community garantieren eben heute keine vollkommene Kontinuität mehr.